2.2 Vorplanung: Bedarfs- und Durchführbarkeitsuntersuchungen für
das Schiff/die meerestechnische Anlage als schwimmendes Arbeitsmittel
(Nichtfrachttragende Schiffe und Anlagen)
2.2.1 Allgemein:
Im vorangegangenen Abschnitt 2.1 - insbesondere 2.1.3 - wurde für das Schiff als Seetransportmittel ein Weg aufgezeigt, wie man in mehreren Schritten die optimale Lösung für eine Seetransportaufgabe erarbeitet und bestätigt:
- Feststellung der Transportaufgabe (Ziele und Bedingungen)
- Analyse und Optimierung des Transportmittelbedarfs mit
Prüfung der wirtschaftlichen Durchführbarkeit der ausgewählten Alternative.
Bei den jetzt zu behandelnden nichtfrachttragenden Schiffen und meerestechnischen Anlagen (NCCVs) sind zur Erreichung einer machbaren (optimalen) Lösung entsprechende Schritte in mehr oder weniger abgewandelter Form (je nach Schiffstyp) vorzunehmen.
Im generellen geht der technische Consultant dabei wie folgt vor:
a) Ermittlung der Aufgabenstellung und Bedingungen:
Feststellung der Projektziele bzw.des Bedarfs vornehmlich durch Besprechungen mit dem Reeder/Betreiber (ggfls.ergänzt um eine Marktanalyse), bei technisch und finanziell höherwertigen Objekten (und bei Marktanalysen) - sofern erforderlich - unter Hinzuziehung beratender Experten. Dabei wird für die Realisierung des Projektes u.a.sondiert:
- Das Projektziel, d.h. der Bedarf und die Aufgaben, das vom
Objekt erfüllt werden soll sowie auch die Erwartungshaltung
des Reeders/Betreibers
- Einsatzgebiet, Fahrbereich, genereller technischer Standard
und Konzept des Objekts
- Finanzielle und technische Gegebenheiten und Beschränkungen.
b) Analyse der Bedarfsfeststellungen:
Analyse der sondierten Punkte sowie daraus resultierender Grobentwurf des Objekts, ggfls. in mehreren Alternativen.
c) Prüfung auf Durchführbarkeit des Projektes
insbesondere Baupreisschätzung, Betriebskostenschätzung und Wirtschaftlichkeitsuntersuchung bzw. Vergleich mit den verfügbaren Budgets, sowie Prüfung der technischen Machbarkeit.
In den nachfolgenden Abschnitten werden für mehrere Beispiel-Schiffstypen die vorgenannten Schritte a) bis c) Typ-bezogen beleuchtet.
2.2.2 Beispiel: Kreuzfahrtschiff
a) Ermittlung der Aufgabenstellung und Bedingungen:
Sofern der Reeder vorab keine Marktuntersuchung wünscht, durch die der Bedarf und die Anforderungen an Fahrgastplätzen sowie der Umfang der Abdeckung des Bedarfs durch die Konkurrenz prognostiziert würde, sind im wesentlichen folgende Punkte mit dem Reeder zu klären:
- Fahrgastplatzzahl (und Besatzungszahl)
- Standard im Wohn- und Aufenthaltsbereich der Fahrgäste
(Belegung, Größe, Einrichtung, Unterhaltungs- und Dienstleistungsangebot)
- Fahrtgebiet(e)
- Reisedauer
- Schiffsgeschwindigkeit
- Schiffskonzept (z.B. konventionell oder SWATH)
- Logistik (intern und extern)
- Flagge
- besondere nationale Vorschriften (z.B. USCG und US Health)
- genereller technischer Standard
- besondere Einrichtungen
- Vorgaben für die äußere Erscheinung des Schiffes
- technische Beschränkungen durch Hafengegebenheiten, Kanäle,
Schleusen, Wassertiefen
- finanzielle Punkte: Einnahmeerwartungen, Betriebskostenpositionen, Finanzierung, Fremd- und Eigenmittelbeschränkung, steuerliche Belastungen.
Bei höherwertigen Kreuzfahrtschiffen sollte die vorstehende Klärung wie auch die nachfolgende Analyse unter Hinzuziehung eines Schiffs(innen)architekten erfolgen.
b) Analyse der Bedarfsfeststellung:
Das Ergebnis der vorstehenden Bedarfsfeststellung wird auf Schlüssigkeit und technischer Kompatibilität geprüft, u.a. auch durch einen Grobentwurf des Schiffes mit Skizze (ggfls. mehrere Gesamt- oder Teilalternativen).
c) Prüfung auf Durchführbarkeit des Projektes:
Für das grob entworfene Kreuzfahrtschiff (incl.eventueller Alternativen) wird eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung inkl. Baupreis- und Betriebskostenschätzung durchgeführt und zwar ähnlich wie für das Beispiel in Abschnitt 2.1.3.
Bei der Anwendung der Annuitätenmethode für Alternativvergleiche sind entweder die Jahreskosten AAC oder Tageskosten (=Jahreskosten/Einsatztage z.B.350) heranzuziehen, gleiche Einnahmen durch die Passagiere vorausgesetzt.
2.2.3 Beispiel: Forschungsschiff
a) Ermittlung der Aufgabenstellung und Bedingungen
Es gibt eine Vielzahl von maritimen Forschungszielen, so u.a.zwecks
- Vermeidung und Entdeckung von Seeverunreinigungen
- Schutz der Küsten gegen Zerstörung durch natürliche Kräfte
einschl. Erhaltung der Strände für menschliche Erholung
- Schaffung und Aufrechterhaltung von Schiffahrtsrouten für den
Transport von Gütern und Personen wie auch für das Befahren
durch NCCVs
- Nutzung der Nahrungsreserven des Meeres
- Ausbeutung von Mineral-, Öl- und Gasvorkommen
- Nutzung der Wasserreserven des Meeres
- Erkennung der Wechselwirkungen zwischen See und Atmosphäre
für Wettervorhersagen etc.
- Nutzung der Energieinhalte des Meeres und der Atmosphäre
(Tiden- und Wellenenergie, Windkräfte)
- Schutz gegen Überfischung und andere illegale Aktivitäten
- Nutzung der Meere für nationale Verteidigung und Angriffe
Forschungsschiffe werden daher für eine oder mehrere der folgenden Disziplinen ausgelegt:
- Ozeanografische Beobachtungen
- Hydrografische Messungen
- Geologische und geophysikalische Untersuchungen
- Meteorologische Beobachtungen
- Meeresbiologische Forschung
- Fischereiforschung
- Militärische Forschungen
- Schiffstechnologische Untersuchungen.
Beispiele für gebaute Forschungsschiffe siehe z.B. "K.Hoppe / High Sophisticated Research Vessels as a Consulting Example" (HANSA 1983, Export Supplement, S.1541ff).
Mit dem potentiellen Betreiber (meistens staatliche Institutionen, aber auch Ölgesellschaften etc.) sind - möglichst unter Hinzuziehung eines Experten/Forschers aus dem eigenen Umfeld - u.a.folgende Punkte zu klären:
- Welche der o.a. Forschungsziele und Disziplinen sollen
abgedeckt werden
- Einsatzgebiet, Fahrbereich, Reisedauer
- Geschwindigkeit des Schiffes (max. und min.)
- Manövrierfähigkeit, Positionierfähigkeit
- Seeverhaltensanforderungen
- Welche Labors incl. Größe und Einrichtung
- Welche Decksausrüstung und Decksflächen
- Sonstige forschungstechnische Ausrüstung
- Navigations- und Ortungssysteme
- Datenerfassungs- und Datenverarbeitungssysteme
- Forschungspersonal und Besatzung
- Schiffskonzept (u.a.Zuordnung der Labors und Arbeitsdecksflächen
- Flagge
- Besondere nationale Vorschriften
- genereller technischer Standard
- Technische Beschränkungen durch Hafengegebenheiten,Kanäle, Schleusen, Wassertiefen
- Finanzielle Punkte: Bei Annahme, daß der Betreiber eine staatliche Institution ist, Baukostenbudget, Betriebskostenbudget, Betriebskostenpositionen.
b) Analyse der Bedarfsfeststellung:
Wie unter 2.2.1 bzw.2.2.2
c) Prüfung auf Durchführbarkeit des Projektes:
Unter der Annahme, daß der Betreiber eine staatliche Institution ist, wird für das grob entworfene Forschungsschiff (inkl. eventueller Alternativen) eine Baupreisschätzung und eine Jahresbetriebskostenschätzung durchgeführt und mit dem Baukostenbudget bzw. dem Betriebskostenbudget verglichen. Bei zu geringem Baukostenbudget aber Budgets während der Betriebsjahre, die höher sind als die Betriebskosten, ist Finanzierungsmöglichkeit zu sondieren.
Bem.: Auf jeden Fall ist die Budgetfrage schon in der Anfangsphase
der Bedarfsfeststellung zu stellen, um zu vermeiden, daß ein
Elefant diskutiert und konzipiert wird, wenn nur eine Maus
bezahlbar ist.
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